Wer oder was ist das eigentlich – die ‚ältere Generation‘, die am heutigen Aktionstag angesprochen ist? Das, was unter ‚Alter‘ verstanden wird, kann nämlich ganz unterschiedlich sein.

Alter: chronologisch, biologisch, sozial?

Beim chronologischen Alter geht es um das Alter in Jahren. Für Viele gilt zwar: man ist so jung wie man sich fühlt. Aber wir alle gehen im Alltag doch recht selbstverständlich mit festen Altersgrenzen um. Kinder werden in der Regel im sechsten Lebensjahr eingeschult, die Volljährigkeit mit 18 markiert eine wichtige Station, es gibt eine Regelaltersgrenze beim Eintritt in den Ruhestand und die Gruppe der Senioren wird häufig gleichgesetzt mit Menschen über 60. Verschiedene Rechten und Pflichten sind also ganz klar an das chronologische Alter gekoppelt.

Das biologische Alter bezeichnet den gesundheitlichen Zustand eines Körpers. Vielleicht haben Sie selbst schon einmal die Erfahrung gemacht – zum Beispiel im Fitness-Studio – dass Ihr biologisches Alter bestimmt wurde. Je nach körperlicher Verfassung, also Größe, Gewicht, Herzfrequenz, Stoffwechselaktivität, etc. wurde Ihnen ein Alter genannt, das von Ihrem chronologischen Alter abweichen kann. Auch äußere körperliche Merkmale wie graue Haare oder Falten sind Zeichen des biologischen Alterns.

Das soziale Alter ist eine ganz besonders spannende Definition. Hier geht es um Rollen, die wir übernehmen, oder die uns zugeschrieben werden. So kann es zum Beispiel sein, dass andere oder wir selbst uns plötzlich als alt empfinden, wenn das erste Enkelkind geboren wird. Die Rolle der Großmutter oder des Großvaters markiert dann den Eintritt in die Lebensphase Alter. Auch die Tatsache, dass wir eine Rente beziehen – unabhängig davon, ob wir 59 oder 74 Jahre alt sind – kann uns als alt erscheinen lassen. Dann ist es der soziale Status der Rentnerin bzw. des Rentners, der mit dem Verständnis, alt zu sein, verbunden ist.

Wie wichtig für uns alle solche Altersgrenzen sind, merken wir immer dann, wenn jemand gegen die damit verbundenen sozialen Regeln ‚verstößt‘. Ein Mensch, der sich mit 50 beruflich neu orientiert und weiterbildet– also quasi nochmal die Schulbank drückt – erregt vermutlich Aufsehen im Freundeskreis. Denn er tut etwas, das ‚man‘ in diesem Alter normalerweise nicht tut.

Alter oder Bildung – was bestimmt unsere Lebenssituation mehr?

Was wir unter ‚Alter‘ oder ‚alt sein‘ verstehen, kann also je nach Kontext ganz unterschiedlich sein. In wissenschaftlichen Studien werden Menschen in aller Regel nach ihrem Geburtsjahr gefragt. Daraus wird ihr – in diesem Fall chronologisches – Alter bestimmt. Dieses Alter wird dann dazu genutzt, um die Unterschiedlichkeit von Lebenssituationen zu beschreiben. Aber wie stark unterscheiden sich junge und alte Menschen denn tatsächlich? Gibt es vielleicht andere Merkmale von Menschen, die viel entscheidender dafür sind, wie wir leben?

Im Deutschen Alterssurvey (DEAS), der größten deutschen Studie zur zweiten Lebenshälfte, haben wir uns das einmal genauer angeschaut. Der DEAS befragt Menschen zwischen 40 und 85 Jahren. Mit diesen Daten können wir also Junge und Alte miteinander vergleichen. Neben dem chronologischen Alter ist die Bildung einer Person ein wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, wie gut oder schlecht ein Mensch lebt bzw. leben kann. Mehr Bildung verschafft uns Zugang zu beruflichen und sozialen Positionen, die mehr Einkommen oder Ansehen ermöglichen. Aber auch im Umgang mit Herausforderungen ist eine höhere Bildung von Vorteil. Denn wenn wir wissen, wo wir hilfreiche Informationen zur Lösung unseres Problems finden können, ist schon viel getan.

Wir haben daher einmal ‚ausgerechnet‘, ob nun eher das Alter oder die Bildung eines Menschen für günstige oder eben ungünstige Verhältnisse in verschiedenen Lebensbereichen verantwortlich zeichnet. Zwar hatten wir es schon vermutet, aber das klare Ergebnis unserer Untersuchung hat uns dann doch überrascht. Die Unterschiede, die mit dem Bildungshintergrund eines Menschen verbunden sind, fallen viel größer und zahlreicher aus, als die Unterschiede, die mit dem Alter einhergehen.

Ergebnisse des Deutschen Alterssurveys (DEAS)

Ein paar Beispiele: die Betroffenheit von Armut, die Einschätzung der eigenen Gesundheit, die Lebenszufriedenheit, das Auftreten von leichten depressiven Symptomen, die körperliche Aktivität und das ehrenamtliche Engagement unterscheiden sich zwischen Menschen mit niedriger und hoher Bildung viel stärker, als zwischen jungen und alten Menschen. Einzig mit Blick auf die Einschätzung, ob das Älterwerden mit körperlichen Verlusten verbunden ist, waren die Altersunterschiede größer als die Bildungsunterschiede. Logisch, denn so ist es nun einmal: je älter man ist, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass man tatsächlich schon körperliche Verluste erlitten hat. Aber selbst bei anderen Gesundheitsaspekten – zum Beispiel der Anzahl an Krankheiten oder körperlichen Einschränkungen im Alltag – waren die Altersunterschiede nicht größer als die Bildungsunterschiede.

Was bedeutet das nun? Für mich waren an unseren Ergebnissen drei Punkte besonders wichtig. Erstens: Alte und junge Menschen sind sich ähnlicher, als wir oft denken. Unsere Lebenssituation wird gar nicht so entscheidend darüber bestimmt, wie viele Jahre wir auf dem Buckel haben. Zweitens: Wir blicken – selbst als erfahrene Altersforscherinnen – mitunter noch mit gewissen Vorurteilen auf das Alter. Drittens: Wenn es darum gehen soll, wie wir ein gutes Leben für möglichst viele Menschen erreichen können, dann müssen wir dafür sorgen, dass durch den Bildungsstand nicht so krasse soziale Unterschiede verursacht werden.

Die Gruppe von Menschen, die heute am Tag der älteren Generation angesprochen ist, eint zwar ihr chronologisches Alter. Die Lebensläufe und Erfahrungen, die sich dahinter auch verbergen, sind aber sehr vielfältig – und ungleich.

Zum Weiterlesen:

Berner, F., Mahne, K., Wolff, J., Tesch-Römer, C. (2017). Wandel von Teilhabe und Integration älterer Menschen – ein politikorientiertes Fazit. In: Mahne, K., Wolff, J.K., Simonson, J. & Tesch-Römer; C. (Hrsg.). Altern im Wandel: Zwei Jahrzehnte Deutscher Alterssurvey (DEAS); Wiesbaden: Springer VS.